Marrakech ist eine Welt voller Gegensätze und Musterbeispiel für friedliche Koexistenz von Luxus und Armut. So schön kann die Arabische Welt sein.

Auf den ersten Blick ist in Marrakech alles beim Alten geblieben. Auf den Straßen herrscht immer noch fließendes Chaos: Autos, Mopeds, Fahrräder mit und ohne Anhänger, Eselskarren und jede Menge Fußgänger, bunt gemischt und scheinbar ohne jede Verkehrsregel. Hier gilt das Gesetz der Toleranz, genau so wie in einem Ameisenhaufen. Wer zu schnell oder zu langsam unterwegs ist, der scheidet aus. Auch an die vielen Porsche Cayenne und Range Rover hat man sich gewöhnt – die gab es damals noch nicht, bei meinem letzten Besuch vor 25 Jahren. Dafür konnte man nicht einen Meter durch die Medina gehen, ohne von Schleppern, Neppern und Bett­lern angequatscht zu werden, was ziemlich lästig war. Ein neues Gesetz verbietet es heute, Touristen ohne staatliche Lizenz (what ever that means) anzusprechen oder durch die Medina zu führen. Eine Armee zivil gekleideter Polizisten sorgt angeblich mit hohen Strafen dafür, dass dieses Gesetz auch eingehalten wird.

Kein Rezept gibt es allerdings gegen die nach wie vor unverschämten Preisvorstellungen fast aller Händler – vor allem, wenn es um scheinbar antike Objekte geht. Wer sich da übers Ohr hauen lässt, ist selber schuld. Das allgemeine Preisniveau der Stadt hat sich jedoch stets nach oben entwickelt, seit der internationale Jet Set die Altstadt von Marrakech für sich entdeckt hat. In früheren Tagen fanden sich intellektuelle und künstlerische Eliten ein, Gide, Hof­mannsthal, Chur­chill, Sartre und Beauvoir, Orwell, Saint-Exupéry, Elias Canetti, Allen Ginsberg, William Burroughs, Oskar Kokoschka, Arthur Koestler, um hier nur wenige zu nennen. Heute ist es die Möchtegern­promi­nenz, die von Film und Fernsehen produziert wird, die – wie in der Regenbogenpresse nachzulesen ist – kurzurlaubt, Häuser kauft und die Preise in die Höhe treibt. Madonna hat ein Haus in Marrakech, ebenso wie Mick Jagger, Isabelle Adjani, Alain Delon, Jean Pierre Goultier und Richard Branson – um nur einige aufzuzählen. Marrakech hat eine der größten Medinas überhaupt. Wer sie betritt, der glaubt, Alice im Wunderland zu sein – berauschend und betörend. Wie in einem Märchen aus Tausend­und­einer Nacht. Wegen der Vielzahl architektonisch bedeutender Gebäude, unter anderem der Koutoubia-Moschee aus dem Jahre 1162, der Kasbah aus dem 12. Jahrhundert und der Ben-Jusuf-Medersa aus dem 14. Jahrhundert, wurde die Altstadt 1985 zusammen mit den Agdal-Gärten und den Menara-Gärten zum UNES­CO-Weltkulturerbe erklärt. Hauptat­trak­tion der Stadt ist die Djemaa el Fna (auf Arabisch etwa „Ver­sammlung der Toten“), der weltberühmte mit­telalterliche Markt- und Hen­kers­platz, heute ein lebendiger Ort orientalischer Ge­schich­ten­erzähler, Schlangenbeschwö­rer und Gaukler. In der Neustadt befindet sich der Jardin Majorelle, den der Maler Jacques Majorelle im Jahr 1919 im damals noch französisch besetzten Marokko angelegt hat und der heute noch durch seine Pflanzenvielfalt besticht. 1980 wurde er von Yves Saint-Laurent und seinem Lebensgefährten und Geschäft­s­part­ner Pierre Bergé aufgekauft. 1997 gründete Bergé eine Stiftung „The Majorelle Trust“, die sich dauerhaft um den Erhalt der Anlage kümmern sollte. Sie ließen den verwilderten Garten in mehreren Etappen wiederherstellen. Hier holte sich Saint-Laurent die Inspirationen für seine Kollektionen. Nach seinem Tod im Jahr 2008 wurde die Asche von Yves Saint-Laurent im Beisein von Mitar­bei­tern und Freunden im Rosengarten des Jardin Majorelle verstreut. Der Jardin Majorelle beherbergt auch das Islamische Kunstmuseum von Marrakech, dessen Sammlung nordafrikanische Textilien aus Saint-Laurents persönlicher Kollektion ebenso wie Keramiken, Schmuck und Gemälde von Majorelle umfasst. Die Anlage wird von 650.000 Besuchern jährlich besichtigt. In der Neustadt befinden sich auch zahlreiche moderne Boutiquen, die neben Ãœberraschungen auch einen Einblick in den Shopping-Alltag des modernen Marrakech bieten.

Shopping in 1001 Nacht

Zurück zur Medina: Kein Prada, kein Gucci, aber edle Stoffe und Materialien, fast alles handgemacht, einiges davon kommt mittlerweile leider auch aus China. Hier findet jeder was. Doch man braucht Zeit. Die ersten Tage muss man sich umsehen, bis man etwas „abstumpft“ und die Euphorie der Vernunft weicht. Den Verlockungen der Händler nicht mehr Folge zu leisten, das Geschäft zu betreten oder sich in ein Gespräch verwickeln zu lassen, ist die erste Lek­tion. Was die Verkäufer hier drauf haben, da­von träumt bei uns jeder Senior Sales Manager. Nach einiger Zeit lernt man auch, Ramsch von edlem Material zu unterscheiden. Vor al­lem bei Stoffen, Schmuck und Einrichtungs­ge­gen­ständen wie Lampen etc. sollte man sich einem vom Hotel empfohlenen Guide anvertrauen – die wissen, wo es gute Waren gibt.
Einkaufen in der Medina ist Verhandlungs­sache – seit ca. tausend Jahren: Wer mehr als die Hälfte des geforderten Preises bezahlt, ist selber schuld. Mittelalterliche Hand­werks­kunst findet sich hier neben Mobil­tele­fonen, Datteln, Oliven, Nüssen und T-Shirts. Nir­gen­d­wo sonst sind Arm und Reich so dicht beisammen, doch das Miteinander funktioniert konfliktfrei. Die besten Monate für eine Reise nach Marrakech sind April und Mai. Da blüht die Stadt auf und die Tage sind noch nicht so heiß. Die beste Tageszeit ist die Dämmerung. Im Zwielicht wirkt die Medina noch zauberhafter und magischer. Apropos Magie: Der Djeema-el-Fna-Platz ist und bleibt das Zentrum der Stadt. Der größte authentische Volksrummel­platz der Welt ist jeden Abend von sechs bis zehn so laut, dass man die Trommeln in der ganzen Medina hört. Ein Abend zum Ent­spannen auf der Terrasse des Café Glace – und man ist endgültig verzaubert von dieser faszinierenden und einzigartigen Stadt in Marokko.

Französisch Essen

Marrakech ist seit jeher beliebtes Ausflugs­ziel bei betuchten Franzosen – für lange Wo­chen­en­den oder auch längere Aufenthalte. Und nicht zuletzt durch die Filmindustrie hat es in den letzten Jahrzehnten immer wieder Cele­bri­ties aus allen Ländern hierher geschwemmt.
Das hat natürlich zur Folge, dass neben den vielen tollen Luxushotels und -resorts auch die Gastronomie mit der Entwicklung der Stadt Schritt gehalten hat und es mittlerweile ein dementsprechend dichtes Netz an ausgezeichneten Gourmetrestaurants gibt – viele davon in guten Hotels. Chef Hadrien Villedieu werkt in der Ksar Char Bagh, einem Relais & Chateaux-Hotel etwas außerhalb der Stadt in der Palmeraie, unweit der Golf­plätze und einiger der größten Luxus­re­sorts. Glauben Sie aber bloß nicht, dass Sie dort allein hin finden – erst der dritte Taxifahrer hat mit Hilfe der Telefonnummer diesen schönen maurischen Palast gefunden. Ein Paradies, in dem sich Kultur und Natur vermischen und das wiederholt zu einem der besten Hotels der Welt ge­wählt wurde. Die Suiten öffnen sich zu einer Ter­rasse oder einem Garten, es sei denn, dass Sie das Turm-Apartment mit Pool bevorzugen, das einen herrlichen Blick auf den Palmenhain und das Atlasgebirge bietet. Die Gäste können an jedem beliebigen Ort auf dem Hotelgelände essen: Der Küchenchef nutzt die Produkte aus dem Gemüse­garten des Palastes. Das große Ham­mam aus rotem Marmor, die Promenaden in den Gärten, dem Obstgarten oder dem Bau­ernhof sowie eine große Zigar­ren­auswahl, ein Rauchersalon und eine Bar mit Bibliothek vervollständigen diesen marokkanischen Traum.

Ein weniger spektakuläres, aber umwerfend authentisches Restaurant befindet sich mitten in der Medina im bezaubernden Boutiquehotel Ryad Dyor. Hier wird in einem winzigen Raum original marokkanische Küche serviert, schnörkellos und so wie es sich gehört. Das kleine Hotel selbst in seiner umwerfend schicken Architektur ist wohl auch einen Auf­enthalt wert, zumal es mitten in der Medina gelegen ist – ein typisches Riad.
www.relaischateaux.com
www.ryaddyor.com

Die Hotels

1Kasbah Agafay Hotel & Spa

Ein Luxushotel in einer 160 Jahre alten Festung mit viel Charme
und aufregenden Nächten in einem komfortablen Zelt.

Wine Kasbah ist die arabische Bezeichnung für Festungen oder Burgen der historischen Altstädte (etwa in Algier oder Sousse). In Marokko wird die Bezeichnung Kasbah auch für Festungsanlagen, vor allem im Atlasgebirge, gebraucht. Diese wurden von den Herrschern zur Kontrolle der Küsten und des Hinterlandes mit hier an­sässigen Berberstämmen errichtet. Die Kasbah Agafay ist eine 150 Jahre alte Festung, die auf einem Hügel entlang der alten Straße nach Agadir thront, mit traumhaftem Blick auf das Atlas-Gebirge, Olivenhaine und die Dünen der Wüstenlandschaft. Heute ist die alte Festung Mitglied der rennommierten Small Luxury Hotels, was gleichbedeutend mit „Hohem Anspruch“ und „Schöner Wohnen“ ist. Und hier kann man tatsächlich richtig schön wohnen, außer im Winter – da ist es dann schon ziemlich ungemütlich in den Zelten. Zelte? Genau: Hier kann man in luxuriösen Zelten nächtigen, die am Hotelgelände aufgestellt sind. Und was auf den ersten Blick befremdend anmutet, ist ein kleines Abenteuer auf hohem Niveau – einfach mal probieren.Auch sonst bietet die Kasbah Agafay alles, was man sich von einem Small Luxury Hotel erwartet: tolles Spa, riesiger Pool, umwerfend schöne Lobby mit Kamin und authentischer Möblierung, leider aber hinkt das Essen ein wenig nach, was angesichts der Tatsache, dass man ohne Auto hier nichts machen kann, ein Jammer ist. Doch hier braucht man ein Auto, also löst sich dieses Problem sowieso von selbst. Die Umgebung des Hotels lädt zu Exkursionen wie Quad-Biken oder auf stinkenden Kamelen reiten etc. ein, aber der einzige interessante Ausflug ist jener in das nahe gelegene Atlasgebirge. Das Hotel selbst ist vollgeräumt mit Kunst und bekannt für seine tollen Vernissagen, die viele Kunstsinnige aus Marrakech anlocken.
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www.kasbahagafay.com

2Hotel La Villa des Orangers

Wo Relais & Chateaux drauf steht, ist Luxus drin, doch dieses Kleinod
mitten in Marrakech bietet auch eine außergewöhnlich gute Küche.

Ein Riad ist ein traditionelles Gebäude in der Medina. Die Villa des Orangers wurde in den 1930er-Jahren für eine angeblich wichtige Persönlichkeit gebaut, welche diese bis 1998 selbst bewohnt hat. Die neuen Eigentümer, Véronique und Pas­cal Beherec haben das Riad mit Hilfe der besten marokkanischen Kunsthandwerker in ein Lu­x­us­­hotel umgebaut und dabei an nichts gespart. Die äußerst geschmackvolle Inneneinrichtung wurde beispielsweise mit feinem Lei­nen und mit Goldfaden bestickten Sofas und Kissen gestaltet. Die Zimmer sind mit modernster Technik ausgestattet, ohne den Charme des al­ten Riad eigebüßt zu haben. Viele Suiten haben eine Sonnenterrasse mit Blick auf die Medina. Die hübsche Bar hat den ganzen Tag über geöffnet und bietet Minz­tee und marokkanisches Gebäck an, aber nur, wenn es einem auch gelingt, einen Keller zu finden. Das wunderschöne Restaurant wird vom genialen Jungkoch Jean-Claude Olry bespielt und macht der Bezeichnung Relais & Chateaux alle Ehre. Hier kommen französische, mediterrane und marokkanische Einflüsse zu einem herrlich komponierten Menü zusammen. Die Weinkarte ist nicht üppig, aber für ein islamisches Land allemal ausreichend. Auch das Frühstück entspricht den hohen Erwartungen, die der meist betuchte Gast an ein solches Haus stellt – einzig das Personal schwächelt und scheint auch am dritten Tag nicht kapiert zu haben, dass man ein weiches Ei nicht so einfach ohne Löffel verzehren kann. Großzügiger geht’s im Garten und in den grünen Innenhöfen zu, ein riesiges Spa mit beeindruckener Architektur samt Hammam und Gym ergänzt perfekt die drei Schwimm­bäder, davon eines auf dem Dach mit Blick auf die Koutoubia-Moschee und die Atlas-Berge. Was will man mehr?
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www.villadesorangers.com

3La Maison Arabe

Wenn man schon Marrakech besucht, sollte man sich auch ein Hotel auswählen,
das landestypisch ist und trotzdem den gewohnten Luxus bietet.

Der Autor dieser Zeilen ist nicht immer einer Meinung mit den Bewertungen der Amateure, die nach rein subjektiven Kriterien ein Hotel loben oder auch nicht. Die Maison Arabe allerdings hat zu Recht den begehrten Travellers Choice von Trip Advisor gewonnen. Zum einen ist die Maison Arabe inklusive Restaurant – dem wohl bekanntesten von Marrakech – authentisch wie kaum ein anderer Ort in der Stadt, zum anderen weiß man hier am besten, wie wichtig guter Service ist. Als der italienische Prinz Fabrizio Ruspoli vor ca. 60 Jahren die Maison Arabe eröffnete, ahnte er bestimmt noch nicht, dass dieses Hotel zu einem Klassiker und Bestseller in Marrakech werden würde. Das hat wohl auch damit zu tun, dass er den wahrscheinlich besten Hotelmanager Marokkos – den Briten mit dem untypischen Namen José Abete – zu sich holte. Bevor ich Ihnen jetzt erzähle, wie angenehm es ist, in der Maison Arabe abzusteigen, berichte ich mal über die Benefits, die José seinen (allerdings nur auserwählten) Gästen bietet. Zuerst einmal fällt es einem Europäer nicht leicht, das moderne Marrakech kennenzulernen, es sei denn, José zeigt es ihm. Doch nicht nur das: Dieser Mann kennt alle Boutiquen der Stadt, die angesagtesten Szeneshops und auch jene Orte in der Medina, wo man tatsächlich „echt gute Ware“ für sein Geld bekommt. Und eine Führung durch Marrakech von José eröffnet einem einen neuen Blick auf die Stadt.Eine Besonderheit bietet die Maison Arabe allerdings noch: Den Private Garden, ein riesiger Park, ebenfalls im Besitz des Prinzen, wo sich gestresste Urlauber tagsüber erholen können, abseits dem Trubel der Medina. Ein kos­tenloser Shuttle bringt die Gäste jederzeit dort hin. Und wer die zu Recht nicht be­rühmte Ma­rok­kanische Kochkunst erlernen will, kann das im Hotel und im Private Garden tun.
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www.lamaisonarabe.com

4Palais Namaskar

Wenn Backpulver-Erfinder Oetker ein Luxusresort am Rande von Marrakech
betreibt, dann kommt so etwas Interessantes wie dieses Hotel dabei heraus.


Die Umgebung, in der dieses Resort aus dem Boden gestampft wurde, heißt Palmeraie, was darauf schließen lässt, dass hier eine Menge Palmen stehen und es schön grün und halbwegs schattig ist. Denkste: Rund um das Resort scheint die Trockenheit ausgebrochen zu sein, trostloser kann man sich eine Gegend kaum vorstellen, einzig innerhalb der schützenden Hotelmauern fühlt man sich wie im Gar­ten Eden. Oder vielmehr wie Alice im Wunder­land – so unwirklich mutet der Pracht­­bau angesichts der tristen Umgebung an. Die Anlage ist zwar so schön wie Dis­ney­land (zumindest für jene, die Disneyland mö­gen), aber auch riesig – fast schon unpersönlich; und es finden hier wahrscheinlich eine Menge Hoch­­zeiten statt, oder sogar Seminare. Liebhaber authentischer arabischer Kultur haben hier nichts verloren, aber wer sich angesichts des Trubels in Marrakech nach einem ruhigen Luxusabend sehnt, ist hier bestens aufgehoben. Und Luxus ist hier genug, von der Größe der Suiten oder Villen bis zum schier uendlichen Parkgelände und einem hervorragenden Restaurant, fehlt es den Gästen an nichts, außer vielleicht an dem Gefühl, tatsächlich in Marrakech zu sein, aber das ist ja wie so vieles eine reine Geschmacksache. Die großzügigen Suiten mit den riesigen Bädern (das ist wirklich Luxus) liegen inmitten einer Wasserlandschaft und die Terrassen ge­wäh­ren Einblick in die Urlaubs­gewohnheiten des jeweils Ande­ren. Ein paar Topfpflanzen würden sehr zur Inti­mität beitragen. Dinner auf der eigenen Terrasse ist trotz­dem etwas ganz Besonderes, vor allem, weil der Kü­chenchef weiß, was Sache ist. Diese Qualität setzt sich auch beim Frühstück am zentralen Pool fort, und auch das Spa zählt zu den besten, die Marokko je gesehen hat. Das Haus ist natürlich Mitglied bei den Leading Hotels.
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www.palaisnamaskar.com

überRenato Zappella