Man muss kein Privatdetektiv in den regnerischen Neon­schluchten einer Großstadt sein, um gern einen Burberry-Trenchcoat zu tragen. Es genügt, wenn man ebenso anglophil wie modebewusst ist – und sich über die Rückkehr einer Traditionsmarke ins Luxussegment freut.

Im Frühjahr 2014 trat die 54-jährige Ma­na­gerin Angela Ahrendts ihren neuen Job an – als Leiterin der weltweiten Stores, inklusive des Online-Einzelhandels – bei Apple. Zuvor hatte sie allerdings acht Jahre lang als CEO die britische Traditions-Modefirma Burberry geleitet, mit einem Jahresgehalt von etwa 20 Millionen Euro. Die hat sie sich auch wirklich verdient, weil sie beim ehemaligen Trenchcoat-Her­steller erfolgreich das Ruder herumgerissen und Burberry wieder zu einer hippen Luxus­marke gemacht hat. Der Wechsel zum iPhone-Unternehmen ist kein Zufall. Es war Ahrendts, die – zusammen mit ihrem Chef-Designer Christopher Bailey, der nun als ihr Nachfolger die Firma führt – das britische Label ins digitale Zeitalter gezerrt hat. Sie hatte begriffen, dass sich die Ein­kaufs­gewohnheiten auch im anspruchsvolleren Mo­de­segment geändert haben: Die Menschen schauen permanent auf die Bildschirme ihres Smartphones oder Tablets und bekommen sofort etwas geboten; ob es sich nun um ein Ein­kaufserlebnis, gute Geschichten über die Marke und deren Mythos, individuellen Ser­vice oder einfach das Gefühl handelt, einer gro­ßen Familie anzugehören, in der jeder dasselbe Karomuster trägt. Und das gilt nicht nur für (potentielle) Kun­­den in den traditionellen westlichen Wohl­standsländern, die ohnehin schon mit Wer­bebotschaften saturiert sind, sondern im­mer mehr auch für die neue Elite in Staaten wie Russland und China, zwei der aktuell stärksten Absatzmärkte für sämtliche Luxus­unternehmen. Wer dort zu Geld gekommen ist, egal auf welche Weise, will an der glanzvollen Welt der Reichen und Schönen teilnehmen, und wenn es nur durch teure Produkte ist, auf die man stolz ist. Aus diesem Grund – und weil sie begriffen hatte, wie wichtig digitale und vor allem mobile Technik heutzutage fürs Geschäft sind – ging Angela Ahrendts in ihrer Burberry-Zeit auch Partnerschaften mit führenden Elektronik/In­ter­net-Firmen wie Google oder Apple ein; zum Beispiel, als Burberry eine wichtige Modeschau mit dem damals brandneuen iPhone mitfilmen ließ. „Wir müssen mit der Entwicklung mithalten“, sagt sie damals. „Schließlich trägt je­der Kunde, von Indien über China bis Brasi­li­en, die gleichen Geräte mit sich herum.“

Im Schützengraben

Ursprünglich war der robuste Regen­man­tel, mit dem alles anfing, ja kein Erzeugnis für Handy-Süchtige, sondern für harte Männer. Das erkannte man schon an seinem Namen: Trenchcoat – ein Mantel („coat“) für den Schütz­en­graben („trench“). Dass er sich für den Einsatz im Krieg eignete, war einem gewissen Thomas Burberry zu verdanken: Der Texil­kaufmann aus Surrey eröffnete 1856 im englischen Ort Basingstoke in Hampshire sein ers­tes Geschäft. 1880 brachte er dann den von ihm erfundenen und später auch patentierten Stoff Gabardine auf den Markt – ein wasser­dich­tes, atmungsaktives und äußerst robustes Gewebe, dessen Baumwollgarn vor dem We­ben imprägniert wurde. 1891 konnte Burberry bereits einen Flag­ship-Store in der Londoner Einkaufsstraße Hay­market eröffnen und von dort aus seine Textilien mit dem bekannten Logo, das einen mittelalterlichen Ritter auf einem Pferd zeigt, in alle Welt verkaufen. Als weiteres (natürlich ebenfalls geschütztes) Markenzeichen führte er 1924 das berühmte Burberry Check-Karo­muster im Futterstoff seiner Mäntel ein. Viel wichtiger für die Unternehmens­ge­schichte war jedoch ein Auftrag, den er Ende des 19. Jahrhunderts vom britischen Militär erhielt. Er sollte einen langen, witterungsbeständigen Mantel für englische Offiziere und Soldaten entwerfen, der ihre Bewegungs­frei­heit auf dem Schlachtfeld nicht einschränkte. Der praktische Trenchcoat mit seinen funktionellen Riemen, Taschen und „D-Rings“ (an denen der Soldat Granaten befestigen konnte) kam so gut an, dass er im Ersten Weltkrieg auch von Angehörigen des französischen Mi­li­tärs gern getragen wurde. Immerhin war er so gut durchdacht, dass die Schulterklappen sogar den Gewehrlauf schützten … Die Soldaten gewannen das gute Stück so lieb, dass sie es auch nach dem Krieg trugen. Und dann kamen die Detektive – vom klassischen Ermittler Sherlock Holmes über den Noir-Zyniker Humphrey Bogart und den nur auf den ersten Blick tolpatschigen Colum­bo bis hin zum liebenswerten Volltrottel In­spek­tor Clouseau. Sie alle waren bei ihrer ge­fähr­lichen Arbeit, die sie ja auch immer wieder in regnerische Nächte und schmutzige Viertel führte, in praktisch-elegante Trenchcoats gehüllt.

Eis und Schnee

Später entdeckte auch die Damenwelt den Burberry: In den Sixties trugen attraktive Stars wie Brigitte Bardot und Audrey Hepburn (in „Frühstück bei Tiffany“) den bewährten Trenchcoat so elegant und sexy, wie man ihn noch nie zuvor gesehen hatte. Dazu gab’s auch bald Hand­taschen mit dem Karomuster, eigene Da­men­kollektionen und jede Menge Accessoires. Doch schon Firmengründer Thomas Bur­berry hatte seinerzeit beeindruckende Marke­ting-Ideen: Er entwarf Fluganzüge für mutige Piloten, bot abenteuerlustigen Herren Motor­radjacken sowie Skianzüge an und stattete die Südpolforscher und Entdecker Roald Amund­sen, Robert Scott und Ernest Shackleton mit Zelten und Kleidung aus Gabardine aus, damit sie ihre Expeditionen ins ewige Eis auch werbewirksam überlebten. 1967 schneiderte Burberry Uniformen für die Olympia-Teilnehmerinnen Englands. Ein paar Jahrzehnte später war Supermodel Kate Moss einige Zeit das Gesicht des Unterneh­mens – bis sie durch ihre Koks-Skandale dem Image des Unternehmens eher schadete als nütz­te. Das galt aber auch für die Unzahl an Lizenzprodukten mit dem Karomuster, die in­ternational mehr und mehr den Markt und die Marke verwässerten. Burberry galt jahrelang als verstaubt und altmodisch, wurde eher mit Bil­lig­ware assoziiert und hatte wegen seiner Be­liebt­heit bei diversen Hooligan-Banden nicht gerade den besten Ruf. Erst gegen Ende des ver­­gangenen Jahrhunderts ging der Konzern da­ran, seine Markenrechte zurückzukaufen, Textilien wieder selbst zu produzieren und den Weg zurück ins Luxussegment an­zu­treten.

Design oder Nichtsein

Die studierte Marketing- und Merchandi­sing-Fachfrau Angela Ahrendts, die zuvor in leitenden Funktionen bei den Modelabels Don­na Karan und Liz Claiborne tätig gewesen war, schaffte es in ihrer Zeit als Burberry-CEO, nicht nur die Umsätze des Unternehmens zu verdreifachen (auf sagenhafte 1,999 Milliarden britische Pfund im Steuerjahr 2013), sondern das Modehaus auch in vielen neuen Ländern zu etablieren und es wieder so innovativ zu machen, wie es in den ersten Jahrzehnten seines Bestehens gewesen war. Noch dazu war sie bei den meisten Mitarbeitern beliebt: „Wenn man Vertrauen hat und dieses Vertrauen auch in der gesamten Firma verbreitet, fühlen sich die Menschen freier“, merkte sie dazu an. Dennoch musste sie nach ihrem Antritt als Chefin erst einmal ordentlich aufräumen. Das fing damit an, dass sie die Anzahl der Klei­dungsstücke und Accessoires mit dem typischen Karomuster auf zehn Prozent der vorherigen Produktbandbreite reduzierte, um so die gigantischen Verluste durch Fälschungen aufzufangen. Danach kaufte sie die Lizenz vom spa­nischen Burberry-Franchise zurück, weil dort viel zu viele Lizenzen verscherbelt wurden. Und schließlich orientierte sie sich an der Phi­lo­sophie großer Konzerne wie eben Apple, da es in der heutigen, total überfluteten Waren­welt vor allem um eines geht: perfektes Design. Um das auch bei Burberry ins Spiel zu bringen, bediente sie sich der Kenntnisse des 1971 im englischen Yorkshire geborenen Christo­pher Bailey, der sich ebenfalls schon bei anderen Luxusproduzenten – Donna Karan und Gucci – seine Sporen verdient hatte und 2001 zu Burberry kam, erst als Design-Direktor, dann als Kreativdirektor und schließlich, ab 2009, als „Chief Creative Officer“. Er hatte früh begriffen, dass im dritten Jahrtausend das multimediale Shopping-Erlebnis alles ist, was zählt. Der Kunde möchte sich in eine eigene Welt eingebunden fühlen, die sich für ihn ebenso interessiert wie er für sie, die ihn sich als Teil des Luxus fühlen lässt und die ihm einzigartige Erfahrungen bietet – und das sogar, wenn er nichts kauft. Bailey und Ahrendts wussten, dass sie auch in Sachen durchgestyltes Design auf digitale Medien setzen mussten, wie beispielsweise die Website „Art of the Trench“, die den User nicht nur in die Pro­dukt­welt einführt, sondern ihn auch seine eigenen Trenchcoat-Selfies hochladen lässt.

Mantel-Geschichten

Bailey entwarf auch den derzeit größten Burberry-Store in der Londoner Regent Street, der eine Realwelt-Entsprechung zur Website sein soll. Die unaufdringlichen Kundenberater dort (man hat den Eindruck, sie wollen einem nicht unbedingt etwas verkaufen – und das ist auch gut so) sind mit iPads ausgerüstet, die nach ein paar Tastendrückern und Wischern alles über den Besucher und seine bisherigen Online-Aktivitäten oder Filialeinkäufe bei Burberry wissen und so auch seine Vorlieben kennen: Will der Kunde in Ruhe gelassen oder lieber intensiv beraten werden? Ist er der klassische oder der moderne Typ? Dank in den Kleidungsstücken angebrachter RFID-Tags sieht man beim Betrachten in den filialeigenen Spiegeln auch gleich ein Model, das den Mantel trägt, den man gerade in der Hand hält – eine gelungene Integration von digitaler und analoger Modewelt. „Online und offline müssen für unsere Mitarbeiter und Kunden dasselbe sein“ lautete Ahrendts Vision, die sie zugunsten des Unternehmens auch realisiert hat.

Nach Angelas Abgang wurde Christopher Bailey ihr Nachfolger als CEO, bleibt aber auch oberster Kreativ-Zampano. Er will wie seine Vorgängerin den traditionellen Kern des Unternehmens – die Geschichte, die man auch als Image nach außen trägt – unbedingt erhalten, aber doch weiter in neue Märkte vorstoßen und deren Traditionen verstehen lernen. „Jeder unserer Mäntel hat eine Geschichte“, sagt Bailey. „So wie der, den ich in jungen Jahren von meinem Großvater geerbt habe. Der Stoff wurde in dieser unglaublichen Fabrik im Norden Englands hergestellt, dann ballenweise in unsere andere Fabrik transportiert, wo ihn jemand mit Kreide markierte und schnitt. Danach nähte ihn jemand im Raum nebenan zusammen. Und das sind die Geschichten, die wir auf der Website, in den sozialen Medien und auf den Spiegeln in unseren Flagship-Stores den Kunden erzählen müssen. Sonst sind wir keine lebendige Marke, sondern einfach nur ein Textilhersteller…“


Im Reich der Karos

Auch wenn die bewährten Check-Muster nicht mehr auf allen Burberry-Produk­ten zu sehen sind: der Name überzeugt. Zumindest seit einigen Jahren wieder…

Burberry London Gabardine-Trenchcoats, Cashmere-Mode und Maßanfertigungen. Die Haupt-Produktlinie des Unternehmens setzt auf Eleganz – und Burberry-Tradition, die aber neu interpretiert wird. Für Business-Damen und -Herren, die es sich leisten können.
Burberry Brit This is Britpop! Schließlich schwören auch Pop-Stars und Edel-Mods wie Liam Gallagher seit Jahren auf Burberry … Daher ist die Brit-Kollektion auch betont jugendlich und leger; seit 2004 wird auch eine Parfum-Linie angeboten.
Burberry Prorsum die Laufstegkollektionen für Luxusbewusste. Wirklich gut und wirklich teuer. Die Damenkollektion gibt es zweimal jährlich bei der London Fashion Week zu sehen, die für Herren bei der Milano Moda.
Burberry Sport Je weniger Leute Bewegung machen, desto mehr setzt sich sportive Mode durch. Das mag absurd sein – hält aber Burberry nicht davon ab, auch sportliche Freizeitmode anzubieten.
Thomas Burberry Collection Für die prominent präsentierte junge Kollektion der Tradi­tions­marke gab’s sogar eigene Geschäfte, wurde 2009 im Zuge der Umstrukturierungen eingestellt.
Burberry Blue Label & Burberry Black Label eigene Kollektionen des japanischen Lizenz­neh­mers Sanyo Shokai, für Damen und Herren. Fast alles „Made in China“ … Weiters enthält das Angebot zahlreiche Burberry-Accessoires (Schuhe, Taschen, Schals, Schir­me) sowie Brillen, Uhren, Düfte und eine Kinderkollektion. Unter Angela Ahrendts Vorgän­gern wurden auch Babykleidung, Bikinis, Motorradjacken und Hunde-Overalls (!) mit dem Label Burberry auf den Markt geworfen.
Burberry Foundation Damit reiht sich die britische Luxusfirma in die Reihen der Corporate-Responsibility-Gutmenschen ein. Die Stiftung fördert junge Menschen mit Talent. Die Musikabteilung Burberry Acoustic lässt aufstrebende Musiker exklusive Stücke für das Label aufnehmen, die nicht nur auf der Website zu hören sind, sondern auch auf CD erscheinen.
www.burberry.com